Purism Librem 5, ein in den USA entwickeltes und produziertes Smartphone. Es will die Angst vor Spionage bekämpfen, den Datenschutz maximieren und so den Markt erobern. 

Datenschutz, Cybersicherheit, Persönlichkeitsprofil und immer trackbar. All diese Themen werden immer lauter und wichtiger. Es gibt entweder Android oder Apple und die meisten Smartphones kommen sowieso aus dem asiatischen Raum. Diversen Ländern und Regierungen werden in den Nachrichten regelmäßig Spionage vorgeworfen. Die USA haben sogar Huawei mittlerweile komplett aus dem Land ausgesperrt. So dachte sich Purism, eine 2014 in Kalifornien USA gegründete Firma, wir machen ein sicheres Smartphone; Entwickelt und produziert in den USA. Genau dieses Purism Librem 5, haben wir heute auf dem Testtisch und wollen unsere Erfahrungen mit euch teilen.

Das Purism Librem 5 wurde bereits vor ein paar Jahren über Kickstarter finanziert. Damals hatte Sven mit seinen Kollegen darüber diskutiert und die Idee für gut befunden, ein Linux basiertes Smartphone mit Hardware kill Switches zu haben. Die Firma Purism hatte auch schon ein paar Geräte mit ähnlichen Funktionen, als klassische Notebooks und Minicomputer, am Markt und erschien daher auch vertrauenswürdig. Schlussendlich gefördert hat nur ein Kollege das Projekt, aber es kam zum Abschluss und versprach ein in nicht allzu ferner Zukunft liegendes Lieferdatum des Gerätes.

Es kam, wie es kommen musste: es gab Probleme, das Projekt verzögerte sich und verzögerte sich und verzögerte sich. Ein Smartphone ist dann doch etwas mehr Arbeit, als ein Notebook zu entwickeln. Mit „nur“ ein oder zwei Jahren Verspätung wurde das Smartphone geliefert. Wir glaubten schon gar nicht mehr dran. Der Kollege hat uns sein Gerät freundlicherweise ausgeliehen und hatte sehr viel Geduld, bis er es wieder bekam. An dieser Stelle, vielen Dank dafür.

Daher können wir heute einen Blick auf das Purism Librem 5 werfen. Was es kann, was es nicht kann und, ob es eine Zukunft hat. Aber zuerst einmal zur Technik.

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Technische Details

Display: 5.7″ IPS TFT screen @ 720×1440
Prozessor: NXP i.MX8M (Quad Core) max. 1.5GHz
GPU: Vivante GC7000Lite
Memory:
3GB
Storage: 32 GB eMMC internal storage
Wireless: 802.11abgn 2.4 Ghz / 5Ghz + Bluetooth 4
Baseband: Broadmobi BM818 w/ single nanosim tray on replaceable M.2 card
GPS: Teseo LIV3F GNSS
Smartcard: Reader with 3FF card slot (microSIM card size)
NFC: No
Sound: 1 Earpiece Speaker, 3.5mm Headphone Jack
External Storage: microSD storage expansion
Accelerometer: 9-axis IMU (gyro, accel, magnetometer)
Front Camera: 8 MPixel
Back Camera: 13 MPixel w/ LED flash
Vibration motor: included
USB Type C: USB 3.0 data, Charging (Dual-Role Port), Video out
Battery: User replaceable – 4,500 mAh

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Display und Grafik

Fangen wir oben in der Liste an: das Display. Ein 5,7“ IPS TFT Display mit einer Auflösung von 720x1440 Pixel. Zu Zeiten, in denen Top Geräte mit 4k und mehr aufwarten und selbst günstigere Smartphones mit zumindest FHD ausgeliefert werden, sind 720x1440 schon etwas dürftig.

Das Librem 5 wird mit einer starken GPU und einer guten 3D Leistung beworben. Allerdings sind selbst Dinge wie ein Youtube Video anzusehen doch eher zäh. Ein großes Manko ist der Touch bei dem vorliegenden Librem 5 Gerät. Wenn man zum Beispiel eine längere Session mit dem Spiel 2048 verbringt, gehen manche Wischrichtungen nicht mehr. Nach längerem Liegenlassen hat es dann irgendwann wieder funktioniert. Als ob der Touch, durch die steigende Wärme, negativ beeinträchtigt wäre.

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Prozessor

Der NXP i.MX8M ist jetzt nicht gerade ein typischer Prozessor für Smartphones. Meistens findet man ihn eher in Geräten, welche in der Industrie eingesetzt werden. Der i.MX8 besteht aus vier ARM Cortex A53 Kernen mit einer 64 bit Architektur und einer maximalen Taktfrequenz von 1,5Ghz. Dieser wird zusätzlich durch einen ARM Cortex M4 unterstützt, welcher ein spezialisierter Prozessor für Signalverarbeitung ist. Suma summarum kein Highperformer, aber auch nicht schwachbrüstig. Allerdings merkt man davon in Benutzung des Librem 5 nicht viel, da es an zu vielen Stellen hakelt und ruckelt in der Bedienung, beziehungsweise die Programme recht lange zum Starten benötigen.

Speicher

3 GB Arbeitsspeicher sind in der embedded Welt jetzt nicht unüblich, allerdings wird auf solchen Geräten meist ein abgespecktes Linux Derivat mit eingeschränktem und klar definierten Funktionsumfang angeboten. Hier soll zwar ein angepasstes Debian System laufen, aber die Programme wie zum Beispiel Firefox sind reguläre Applikationen und nicht für mobil oder embedded angepasst. Und dann sind 3 GB für einen Browser mit mehreren Tabs und Erweiterung und gegebenenfalls andere offene Applikationen schnell ziemlich wenig. Zumal selbst Android basierte Smartphones mit 6,8 oder sogar 12 GB Arbeitsspeicher ausgeliefert werden.

Der Massenspeicher mit 32 GB ist jetzt auch nicht gerade viel, allerdings lässt sich dieser zumindest per SD-Karte erweitern. Eine SD-Karte ist nun auch nicht gerade die schnellste Speichertechnologie, macht aber bei der sonstigen Performanz des Librem 5 auch keinen Unterschied mehr.

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Wireless

W-Lan und Bluetooth sind in älteren Versionen vorhanden und funktionieren so weit, den Erwartungen entsprechend. LTE mit einer Nano SIM und GPS gehört auch eher zum Standard. Mit NFC kann das Librem 5 nicht aufwarten, allerdings gibt es bisher auch keine Bezahlapps, welche auf dem Librem 5 laufen würden und daher hätte ein NFC-Modul auch sehr wenig zu tun.

Kamera

Nun was soll man zur Kamera sagen? Einfach absolut nutzlos. Das Geld hätte man sich sparen und die Hardware einfach weglassen können. Die technischen Daten der Kameras mit 8 und 13 MP sind schon sehr dürftig, aber das Ergebnis schlägt den Boden aus. Aber Bilder sagen hier mehr als tausend Worte.

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Hardware Kill Switches

Das große Markenversprechen vom Purism Librem 5 ist Sicherheit und Kontrolle über die eigenen Daten. Umgesetzt wurde das unter anderem durch drei Hardware Kill Switches an der linken Seite. Der oberste Switch ist für das Mobilfunknetz, der mittlere für W-Lan und Bluetooth und der unterste für Kamera und Mikrofon. Wenn man alle drei Schalter auf Aus deaktiviert das GPS. Laut den Beschreibungen von Purism sind diese Schalter keine weichen oder Softwareschalter, wie in anderen Smartphones, wenn sie denn existieren, sondern den Bauteilen wird tatsächlich der Strom gekappt.
In den heutigen, hoch integrierten Prozessoren sind Elemente wie W-Lan, Mobilfunk oder Bluetooth oft direkt auf dem SoC. Damit Purism diese echten Hardwareschalter realisieren konnte, mussten sie sich eine Lösung überlegen, in der es einzelne Chips sind, die man wirklich separat vom Strom nehmen kann, um wirklich sicherzustellen, dass sie nicht mehr arbeiten.
Das heißt aber auch, dass nun mehr einzelne Chips integriert sind, welche jeder für sich Strom und Platz verbraucht und Wärme produziert. Somit hat man hier zwar die Sicherheit erhöht, allerdings auf Kosten von Komfort, Gewicht, Größe, Preis und Laufzeit.

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Akku

Was uns direkt zum Akku bringt, welcher mit 4500 mAh einer durchaus regulären und angemessenen Größe entspricht, wenn man das Purism Librem 5 mit anderen Smartphones vergleicht. Großer Pluspunkt ist der einfach zu wechselnde Akku. Es muss klassisch nur die Rückseite entfernet werden. Der Akku kann dann ohne Werkzeug herausgenommen und ausgetauscht werden.
Der Akku war allerdings einer der Punkte, die mir das Testen des Pursim Librem 5 schwer gemacht haben. Kurz, die Akkulaufzeit ist unterirdisch und das Aufladen dauert Ewigkeiten. Verwendet habe ich hier unter anderem das Anker Nano II 30W Netzteil und ein 65W Lenovo Netzteil.
Wenn der Akku dann mal nach stundenlangem Aufladen die 100% erreicht hatte, haben wir mit dem Testen und Ausprobieren angefangen. Als einen täglichen Begleiter haben wir das Purism nicht eingesetzt. Also wurde das Librem 5 auch mal auf die Seite gelegt und man wollte später am Tag oder am nächsten Tag weiter machen und dann war der Akku immer fast oder ganz leer und das Librem 5 aus. Also wieder stundenlang warten, bis es wieder geladen war. Irgendwann haben wir uns angewöhnt, sobald man es nicht in der Hand hatte, das Librem 5 direkt wieder an den Strom anzuschließen.
Energieeffizient und praktikabel ist das auf jeden Fall nicht.

Applikationen nachinstallieren

Es ist das ganz normale „apt“ und „apt-get“ verfügbar, somit kann auch jedes Programm theoretisch installiert werden, dass in den Paketquellen vorhanden ist. Wie sinnvoll das Ganze ist, hängt von den Applikationen und deren Implementierung ab.
Visual Studio Code funktioniert prinzipiell; Editieren, Speichern etc. Nur das Menü ist nicht bedienbar. Diese gehen zwar auf, verschwinden aber direkt wieder und sind daher nicht benutzbar.
Die Zsh lässt sich zwar installieren, allerdings kann man die Standard Shell nicht umstellen. Dabei bekommt man die etwas seltsame Meldung „Your account has expired; please contact your system administrator.“. Sudo ist ab dem Zeitpunkt erst einmal kaputt und man muss das Purism Librem 5 neu starten. Da wurde versucht trotz Administrationszugang einige Dinge zu verhindern, welche dann allerdings zu Nebeneffekten führen.
Im Allgemeinen lässt die Applikationsvielfalt, die man von einem Smartphone gewohnt ist zu wünschen übrig. Ein Linux basierte Telefon ist eben ein Nischenprodukt und da stürzen sich die App Entwickler nicht gerade darauf. Man muss mit dem Vorlieb nehmen, was es im Allgemeinen für Linux gibt, und der Rest geht per Browser. Allerdings je nach Webseite auch eher schlecht als recht.

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Docking per USB-C

Die Ladebuchse ist ein USB Typ C Stecker und wir haben ein Linux auf dem Gerät, dachten wir uns, dann müsste es doch funktioniere eine USB Docking Station anzuschließen. Die Docking Station vom Notebook abgezogen und mit Bildschirm, Maus und Tastatur an das Purism Librem 5 angeschlossen und siehe da: es funktioniert - zumindest teilweise. Die Funkmaus mit Dongle von Anker und die Tastatur mit Kabel von Keychron wurden sofort erkannt und waren benutzbar. Einzig das Display machte etwas Probleme und es hatte nicht immer gleich funktioniert. Erkannt wurde es zwar, aber es blieb die meiste Zeit schwarz. Wenn es dann aber an war, hat es zuverlässig funktioniert.

Performanz

Im Allgemeinen fühlt sich alles sehr zäh und ruckelig an. Die Ladezeiten, um Einstellungen vorzunehmen oder den App Store zu öffnen, sind lang. So lang, dass man sich die Frage stellt, hat es sich wieder aufgehängt oder lädt es noch? Selbst ein simples Spiel wie 2048 ruckelt und reagiert manchmal nicht und dann werden die letzten X Aktionen auf einmal ausgeführt.
Auch so etwas Simples, wie YouTube ist kein Genuss. Das Video ragt über den Bildschirm hinaus, das heißt, man muss zwingend den Vollbildmodus verwenden. Um das zu schaffen, darf man nicht zu schnell sein und muss Geduld haben, bis der Befehl ausgeführt wird.

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Fazit

Das Librem Purism 5 kostet heute noch stolze $1299 und wurde schon vor etlichen Jahren per Kickstarter finanziert und entwickelt. Die Hardware hat sich seit dem nicht geändert, bis auf den W-Lan und Bluetooth Chip, welcher jetzt ein SparkLAN WNFB-266AXI(BT) ist.
Als mehr als ein Entwicklergerät, bei dem die Software gepflegt und weiterentwickelt wird, kann man das Purism Librem 5 aber leider nicht sehen.
Schlechtes Display, schlechte Kamera, ruckelnde und langsame Software. So hat das Gerät unserer Meinung nach keine Zukunft und bleibt vorerst zwar eine gute Idee, aber eine teure Spielerei.